8. Fortsetzung der Geschichte des 11. (Sächs.) Infanterie-Regiments
Belgiënfeldzuges
Nach Beendigung
des Polenfeldzuges
wurde das I.R. 11, am
6.10.1939 beginnend, im Eisenbahntransport
nach dem Westen verlegt und traf bis zum 10.10.1939
in Krefeld ein. Es wurde in
Privatquartieren untergebracht.
Nachdem schon während des
Transportes durch das Reich
je Kompanie 10 Urlauber heimwärts geschickt worden waren,
erfolgte jetzt Beurlaubung des ganzen Regiments in drei Raten. Gleichzeitig begann die Instand-setzung aller Waffen und Geräte sowie die Anforderung von Ersatz.
Die 14. Infanterie-Division gehörte im Westen zur 6. Armee, deren Oberbefehlshaber Generaloberst
von Reichenau war, Die Heeresgruppe 8 führte
Generaloberst von Bock.
In Kürze wurde auch wieder mit der
Ausbildung begonnen, vornehmlich im Kampf gegen
befestigte Stellungen und
Bunker
- 14. Kompanie übte hier den Schartenbeschuß - sowie Übersetzungen. Die in Polen gemachten Erfahrungen wurden verwertet.
Auch Abhärtungs- und Gewöhnungsübungen
an die Nacht standen im Vorderund.
Für die Armee war
24-stündige Alarmbereitschaft befohlen.
Infolge des Verschiebens des Angriffbeginns im Westen wurde diese Alarmstufe
am 28.11.1939 aufgehoben, aber am
11.12.1939 erneut angeordnet.
In seinen Angriffsplänen gegen
Frankreich hatte das OKH die
Absicht, den „Schlieffen-Plan" von 1914
anzuwenden. Dieser Plan fiel durch einen Luft-Kurier in feindliche Hände. Nach einem
Plan von General von Manstein
sollten starke Panzerkräfte durch Luxemburg und Südbelgien gegen die verlängerte Maginot-Linie bei Sedan vor gehen
und dann die befestigte Front durchstoßen und den Durchbruch vollenden.
Dieser Plan wurde auch in einem Kriegsspiel In Koblenz aufgezeichnet.
In 1940 standen sich etwa 4800 französische 2800 deutschen (tatsächlich waren es nur 2200 deutsche)
Panzern einschl. der Spähwagen gegenüber. Die französischen
Panzer waren an Panzerstärke und Kaliber den deutschen
überlegen. Sie unterlagen aber in der
Führung und der Geschwindigkeit.
Frankreich rechnete mit dem deutschen Schlieffen-Plan
und versammelte daher seine Kräfte einschl.
der Panzerdivisionen und des britischen Expedi-tions-Heeres im französischen Flandern zwischen Maas und
Ärmelkanal. Die Front war nach Nordosten gerichtet! Während dieser Zeit
erfolgen beim Regiment einige Personalabgaben, vor allem an Offizieren für die Neuaufstellungen, Auch unser
letzter Friedens- und erster Kriegs-Regiments-Kommandeur Oberst
Haase, wird versetzt. An seiner
Stelle übernimmt am 29.11.1939 Oberst-leutnant Oeller das Regiment. Unser Regiments-Adjutant, Hauptmann
Schulze, kommt
zur 14. Division.
Am 28.12.1939 erfolgt die Verlegung
des Regiments über Mönchen-Gladbach als
Zwischenunterkunft in den Raum um Wegburg - Arsbeck, wo es in
der Nacht vom 29./30.12.1939 eintrifft. Die Marschbewegungen müssen in der Dunkelheit durchgeführt werden. Das Thermometer zeigt minus 15 Grad an, die
Straßen und Wege sind stark verschneit
und vereist. In dem neuen Unterkunftsraum
erfolgt Unterbringung in engen Quartieren. Regimentsstab In Wegberg (Schule).
Hier verbleibt das Regiment bis zum 27.1.1940. An disem Tage erfolgt wiederum im Nachtmarsch Verlegung in den bereits erkundeten Raum dicht an der holländischen Grenze um Karken.
II, und I. Bataillon liegen vorn an der Grenze hinter Ihren
Bereitstellungsräumen für den Fall eines
Angriffs im Westen II.
Btl. um Karken. I. Btl. um Haaren. III. Btl. liegt etwas rückwärts um Kempen. Es ist als Vorausabteilung (teils mot., teils Fahrräder)
vorgesehen, die auf der
Vormarschstraße des II. Btl. antreten soll, sobald der erste Widerstand und die
Sperren an der Grenze durch das 11.
Btl. beseitigt sind. Der Regiments-Stab liegt ebenfalls in Karken. Die 14. Kompanie ist in Myl untergezogen.
Hier bleibt das Regiment bis zum Beginn des Frankreichfeldzuges. Der Termin für den Angriffsbeginn wird auf unbestimmte Zeit zunächst verschoben und damit auch die 24-stündige Alarmbereitschaft
aufgehoben. Die Ausbildung wird
fortgesetzt. Bei dem im Frühjahr heftig
einsetzenden Tauwetter, bei dem die ganze tiefliegende Landschaft der Roer von den Schmelzwassern der Eifel überschwemmt
wird, müssen in den Tagesmeldungen laufend Berichte über den Zustand der
Straßen-, Wege-und Geländeverhältnisse
erstattet werden.
Im Rahmen von Abgaben von Personaleinheiten an das Ersatzheer
wurde am 1.2.1940 die 10. Kompanie neu aufgestellt. Hieran beteiligten
sich fast alle Einheiten des Regiments. Die 1. und 5. Kompanie gaben je einen geschlossenen Zug ab. Die 11. Kompanie gab den Hauptfeldwebel und die 14. Kompanie den
bewährten Oberleutnant Bärwald als
neuen Kompanie-Chef ab. Schon
nach sehr kurzer Zeit hat diese neu
aufgestellte Kormpanie ihre
geschlossene Einhalt bewiesen. Trotz
aller Schwierigkeiten, die die Kompanie nach der Aufstellung zu überwinden hatte, war sie bereits nach fünf Wochen soweit, daß sie am 10.3.1940 als Ehrenkompanie an den Feiern
des Heldengedenktages in Wasserberg teilnehmen
konnte. Griff und Marsch
ließen sich sehen. Und im Schießwettbewerb
um den
Preis des Kommandierenden Generals erhielt diese
Kompanie am 3.4.1940 im
Ent-scheidungskampf gegen die
Besten der I. R. 53 und 101 den
1. Preis mit 468 Ringen
und 100 Treffern!
Stellenbesetzung des I. R. 11 am 10. Mai 1940: Regiments-Stab:
Kommandeur: Oberst Oeller
Adjutant: Hauptmann Sperling
Ord. Offz.: Oberleutnant
d. R. Dr. Wapler
Nachrichten-Offz.: Oberleutnant
Fichtner
Verpflegungs-Offz.: Oberleutnant d. R. Hofmann
Rgt. Veterinär: Stabs-Veterinär Dr. Brunner
Stabs-Kompanie: Hauptmann d. R. Dr. Weinschenk
Reiterzug: Oberleutnant H. Pinckert
13. (l. G.) Kompanie:
Hauptmann d. R. Camphausen
Leutnant Franke
Leutnant d. R. Berger
14.
(Pz. Abw.) Kompanie:
Hauptmann Emmerich
Leutnant Böhm
Leutnant von der Decken
Leutnant Gliemann
Oberfeldwebel Klawitta
1. Bataillon:
Bataillons-Stab:
Kommandeur: Major Weiß
Adjutant: Leutnant Overhoff
Ord. Offizier. Leutnant
d. R. Engelhardt
Truppenarzt: Oberarzt Dr. Ewald
Hilfsarzt: Unterarzt d. R. jaeger
Hilfsarzt: Unterarzt d. R. Fleck Zahlmeister:
Kr. V. Inspekteur Kurz
1. Kompanie
Hauptmann Habicht
Leutnant d. R. Jäckel
Leutnant Vagt
2. Kompanie
Oberleutnant d. R. Altstädt
Leutnant Hartmann
Leutnant d. R. Funk
Leutnant Zimmermann
3. Kompanie
Oberleutnant d. R. Schröder
Leutnant Kaddatz
Leutnant d. R. Lechner
Leutnant d. R. Plapper
4. Kompanie
Oberleutnant Freiherr v. Hoyningen
gen. Huene
Leutnant Bahmann
Leutnant d. R. Nicklas
Leutnant Gerngroß
Oberleutnant Koch
II. Bataillon:
Bataillons-Stab:
Kommandeur: Major d. R. Leschke
Adjutant: Leutnant Drechsler
Ord. Offizier: Leutnant d. R. Fritsche
Truppenarzt: Stabsarzt d. R. Dr. Greif
Hilfsarzt: Unterarzt Meyer
Zahlmeister: Zahlmeister d. R. Engst
5. Kompanie
Oberleutnant d. R. Schröter
Leutnant Falk
6. Kompanie
Oberleutnant d. R. Lübeck
Leutnant Zimmermann
7. Kompanie
Oberleutnant Hauptmann
Leutnant Koniecny
Leutnant d. R. Benndorf
8. Kompanie
Oberleutnant G. Pinckert
Leutnant d. R. Mühlmann
Leutnant d. R. Zillmann
III. Bataillon:
Bataillons-Stab:
Kommandeur: Oberstleutnant
Oertel
Adjutant: Leutnant
Gerngroß
Ord. Offizier: Leutnant Kerber
Truppenarzt: Oberarzt
Dr. Trummler
Hilfsarzt: Unterarzt Dr. Hartmann
Zahlmeister: O.
Zahlmeister d. R. Hänft
9. Kompanie
Oberleutnant Irmler
Leutnant d. R. Porwoll
10. Kompanie
Oberleutnant d. R. Bärwald
Leutnant Negendank
Oberfeldwebel Thieme
Leutnant d. R. Gröschel
11. Kompanie
Oberleutnant Schmidt
Leutnant Kail
Leutnant d. R. Sehr
12. Kompanie
Hauptmann Eckart
Leutnant d. R. Martin
Leutnant Hartmann
Am
9.5.1940 wird das
Regiment alarmiert.
Bei allen
Kompanien herrschte reger Betrieb. Nach den vielen
Alarmübungen waren die Bataillone
und selbständigen Kompanien in kürzester Zeit einsatzbereit. Stichworte
wie „Hindenburg" oder
„Offiziershauptversammlung" oder „Danzig"
sammelten die Kompaniechefs. Nach Vororien-
tierungen wurden Befehle für
Bereitstellung und Angriff ausgegeben.
Anfänglich befürchteten alle noch, daß es
sich wie in den vorausgegangenen
Wochen um eine Alarmübung handeln
würde. (Als dann; aber)der Befehl zur Grenzüberschreitung
durchdringt, bemächtigt sich aller
eine unbeschreibliche Begeisterung. Viele umarmen sich vor Freude.
Unter der Bevölkerung kreisen
Parolen aller Art.
Um einen geplanten Einfall des Feindes über Holland und Belgien in das Ruhrgebiet so schnell und wirksam wie irgend möglich
entgegenzutreten war beim III./I.
R. 11 eine Vorausabteilung gebildet worden, die infolge ihrer Zusammensetzung, Bewaffnung und Motorisierung in der Lage
war Feindwiderstände in kürzester
Zeit zu brechen und ein
schnelles Vorgehen zu ermöglichen. Zu dieser
Vorausabteilung gehörten vom III.
Btl. die 9. 11. und Teile der 12. Kompanie.
Die 10. Kompanie und
Teile der 12. bildeten die Reserve des Regiments. Um die
Vorausabteilung zu motorisieren ließ die 14. Kompanie 2. Züge absitzen.
In der Nacht vom 9./10. Mai wurde
der Regimentsbefehl für
den Angriff und die Feindlage herausgegeben. Das französisch-englische Heer wurde in der Linie Dünkirchen-Diedenhofen
angegeben. Vom holländischen Heer nahm man an, daß es mit schwachen Kräften im Maastricht-Zipfel und im Angriffsstreifen des
Regiments bis zur Maas bzw. zum
Juliana-Kanal lag. Das belgische Heer
lag mit schwachen Kräften an der
holländisch-belgischen Grenze und dem Maas-Schelde-Kanal und mit stärkeren
Kräften hinter dem Albert-Kanal.
In der Nacht hörte man Sprengungen auf holländischem Gebiet. Teile der
Regiments-Kompanien werden den Bataillonen zugeführt.
Am 10. Mai um 5.35 ist
Angriffsbeginn. Eine kurze Verzögerung
war dadurch eingetreten, daß die Vorausabteilung zunächst einen falschen Weg einschlug, und das Zurückziehen
auf den richtigen Weg einige Zeit
erforderte. Mit Angriffsbeginn überflogen
zahlreiche eigene Staffeln die Grenze.
Es klappt alles. Am Zollhaus in Karken
werden die ersten holländischen Gefangenen eingebracht. Nach Beseitigung der
Sperren kann die Vor-ausabteilung
unter Oberstleutnant Oertel, wie vorgesehen,
antreten. Das 1. Btl, folgt dicht der
Vorausabteilung und erreicht
ebenfalls planmäßig das 1. Angriffsziel. Durch Sprengung der
Brücke über den Juliana-Kanal
und Brechen geringen holländischen Widerstandes tritt eine kurze Verzögerung ein. Die Straßen und Wege dorthin sind außerordentlich
schlecht, da die holländische Regierung anscheinend den
Grenzstreifen systematisch hatte verkommen lassen. Zahlreiche Sperren
erschwerten das Vordringen. Für den Angriff des Regiments hatte die 14. Kompanie 2 Pak-Züge zur Verstärkung der Vorausab-teilung Oertel und
die Kfz. der anderen beiden Züge für den Mannschaftstransport abgestellt. Der
Kompanie-chef erhielt den Befehl, die
Vorausabteilung zu begleiten, damit nach Erreichung des 1. Angriffszieles die abgestellten
Kfz. die zurückgebliebenen zwei Züge nachholen konnten. Am Juliana-Kanal blieb zunächst die 9. Kompanie unter
Oberleutnant Irmler liegen, da die
Brücke gesprengt war und die Holländer aus. einem Dutzend Erdbunker die Gegend mit MG-Feuer bestrichen. Eine sofort eingesetzte Pak brachte das MG-Feuer zum Schweigen. Indessen löste
vom 1. Btl, die 3. Kompanie die 9. Kompanie ab, so daß bereits in den ersten Nachmittagsstun-den die Vorausabteilung Oertel über
die Maas übersetzen kann.
Da sämtliche Bespannfahrzeuge hinter
den Wasserläufen
zurückgelassen werden mußten, requiriert die Truppe zahlreiche landesübliche Fahrzeuge und Gespanne zum Transport von Waffen und Munition, und zwingt selbst ihre Besitzer, mit der Trappe mitzuziehen. Diese wurden nach
Erreichung des Maas-Schelde-Kanals entlassen, als sich herausstellte, daß durch Sprengung der Kanal-brücke ein weiteres Mitführen nicht möglich war. II. und I. Bataillon schlossen sich schnell der Vorausabteilung an und nach einer kurzen Bereitstellung gehen alle drei Bataillone bei geringem
Feindwiderstand über Maas und Kanal und setzen den Angriff fort. Das rechts vom Regi-ment eingesetzte I. R. 53 bleibt weit zurück, so daß das I. Btl. eine Sicherung nach Norden vorschieben mußte.
Hinter den Wasserläufen blieben
auch die Feldküchen und
Verpflegungsfahrzeuge zurück, so daß auf
die Ausgabe einer warmen Verpflegung
verzichtet werden mußte. Nach einer Bereitstellung in der Nacht
werden am 11. Mai die
Angriffe des Regiments
zur Erreichung des Maas-Schelde-Kanals fortgesetzt. Neben dem III. wird das I. Btl. in vorderer Linie eingesetzt. Die Erkundung ergab, daß Feldbefestigungen und mehrere Bunker am jenseitigen Ufer des Kanals lagen,
die offensichtlich nur schwach besetzt waren. Die Kanalbrücke war zerstört und konnte von einzelnen Schützen
durch Klettern überwunden werden. Unter starkem Feuerschutz wurde der Kanal
überwunden. Unter Führung von Leutnant Kaddatz vom 1. Bataillon wurde ein Brückenkopf gebildet. Hierbei wurden die
ersten belgischen Gefangenen ge-macht. Durch Beschlagnahme mehrerer Pkw und
Lkw bildete
das I. Btl. unter Führung von Hauptmann
Habicht mit Teilen der 1.
Kompanie, Pak und anderen schweren Waffen
eine eigene Vorausabteilung. Leutnant Overhoff wird zur Erkundung des durch
zahlreiche Sperren zer-störten Vormarsches vorausgesandt. Die Masse des
Btl. folgte unter Führung von Oberleutnant Freiherr v. Hoyningen gen. Huene. Als das 1. Btl. mit seiner Vorausabteilung
Hoeveneinde erreichte, und vom Rgt. keinerlei weiterer Befehle vorlag, entschloß sich der
Btl.-Kommandeur, Major
Weiß, eine starke Aufklärung gegen den Albert-Kanal mit einem starken
Offizierspähtrupp mit Leutnant Jäckel unter
Führung von Leutnant Overhoff vorzutreiben. Der Spähtrupp erhielt den Auftrag festzustellen,
ob die Kanalbrücken bei Stokrooi
zerstört sind, ob das diesseitige
Kanalufer feindfrei ist sowie Erkundung
von Bereitstellungs- und
Annäherungsmöglichkeiten am Kanal
wurden nur einige befestigte Feldstellungen,
Bunkeranlagen und Zerstörung beider Kanalbrücken fest-gestellt.
Die am Albert-Kanal festgestellten Erdbunker stellten für
das Regiment ein erstes ernsteres Hindernis dar. Die unterstellten
Pak-Züge der 14. Kp. schossen mit
Spreng-granaten und hatten vortreffliche Wirkung. Einige der Bunker
waren als Haus oder Scheune getarnt. Nach
dem Kampf gegen die Uferbefestigungen setzten die Bataillone mit ihren Floßsäcken über.
Am 12. Mai, Pfingstsonntag, stellte
I./11 die Verbindung zum 1./53 her. Major
Schultz. der Führer der Vorausabteilung 53, war dabei auf starken Feindwiderstand gestoßen
und bat das 1. Bataillon, die eingeschlossene Radfahr-Schwadron bei Lummen
herauszuhauen, weil ihm hierfür schwere Waffen fehlten. Die 1. Kompanie unter Führung von Hauptmann Habicht dem unterstellten I.
G. Zug Leutnant Berger und s. M. G.-Zug Bahmann kommen dem I. R.
53 zu Hilfe. Der Feindwiderstand wurde trotz starken
feindlichen Art.-Feuers gebrochen und die eingeschlossenen Teile herausgehauen. Bei geringen eigenen Verlusten wurden 71 belgische Gefangene, darunter 3 Offiziere eingebracht.
Der Spähtruppführer Leutnant Jäckel wurde bei der Zer-sprengung
und Verfolgung einer feindlichen I.
G.-Kompanie verwundet. Er, wie Leutnant Overhoff und ein Uffz. und
zwei Gefreite der 1. Kompanie erhielten an
diesem Tage wegen ihres rücksichtslosen Einsatzes bei den Unternehmungen am Albert-Kanal das E K II. Wegen Tapferkeit
vor dem Feind wurde R. Schmidt von der 1.
Kp. zum Gefreiten befördert.
Die als Regimentsreserve
nachgeführte 10. Kompanie wurde zu
Pionierarbeiten eingesetzt und besserte die vor Zouhoven zerstörte Straßenbrücke aus, so
daß Gefechts-fahrzeuge nachgezogen werden
konnten.
Der 13. Mai wurde im ganzen
Regimentsabschnitt durch vorgetriebene Aufklärungen gegen den
Gete-Abschnitt ausgefüllt. In den Abendstunden wurde vermutet daß der Gegner die Gete in Schlauchbooten
überschritten habe. Der Regiments-Kommandeur, Oberst Oeller forderte bei der Division Art.-Feuer, besonders zur Bekämpfung feindlichen Art.-Feuers aus dem Raum um Haien, an und besprach
mit dem Chef einer schweren Batterie (58/mot)
den Feuerplan. Die Truppe und besonders die in Donk und Waterkant liegenden
Teile des Rgt. sind durch das außerordentliche heftige Art.-Feuer stark beeindruckt, zumal eine eigene
Art: Unterstützung fehlte. Am
15./16. Mai stellte sich das Regiment zum Angriff auf die
Dyle-Stellung bei Löwen bereit. Zum erstenmal standen wir Engländern
gegenüber, die sich am Ostrand von Löwen hartnäckig verteidigter. Der Chef der 14. Kompanie,
Hauptmann Emmerich, erhielt vom Regiments-Kommandeur den Befehl, seine Kompanie geschlossen zum Schutz
der Bereitstellung und des Angriffs
einzusetzen. Im Zuge von Aufklärungsaufträgen hatte sich Leutnant Engelhardt mit seinen
Leuten durch besondere Tapferkeit ausgezeichnet.
Mehrere Kräder mit Beiwagen wurden erbeutet, die später in den Dienst der Motorisierung des Regiments gestellt wurden.
Auch hier waren Tapferkeitsmedaillen die Belohnung.
Im Raum vor Löwen wurden II. und III. Bataillon vorn eingesetzt.
Das 1. Btl. blieb Regimentsreserve.
I. R. 101 sollte herausgezogen werden, um sich links vom I. R. 11 bereitzustellen. Nach den Anstrengungen der ersten Tage konnte sich das 1. Btl. mal
richtig ausruhen. Heftiges
feindliches Art.-Feuer, das von
Beobachtungsfliegern geleitet wird, liegt auf dem Rgt.-Abschnitt. In der Nacht vor dem Angriff wurde ein
Pak-Zug und eine starke mot. Aufklärung nach Süden angesetzt, da Tuchfühlung zum linken Nachbar fehlte. Dieser Raum hatte besondere Bedeutung
für den Angriff des Regiments. Der Reg.-Gef.
Stand lag bei Cosy Corner. Wegen des zähen Widerstandes der Engländer am Ostrand der Stadt, wo zudem die Straßenbrücke, die am Osteingang über eine zwei-gleisige, tiefeingeschnittene Bahnlinie
führte, gesprengt war sollte
das II. Btl. unter Führung von Major
Leschke von Süden her die Stadt
angreifen. Hier waren besonders starke
Minen- und Straßensperren. Der Angriff wurde für den 17. Mai 8 Uhr befohlen. Eine Viertelstunde vorher sahen
wir den Angriff deutscher Stukas auf die
Stadt als Vorbereitung für den Angriff der
Infanterie. Nach Überschreiten der
Dyle-Stellung traf das
II. Btl. auf besonders stark
verminte Straßen. Kurz nach einem
Bahnübergang fuhr der Ord. Offizier
des Btl., Leutnant Drechsler, mit seinem Bw-Krad auf eine Mine und wurde dabei In die Luft bis in das zweite Stockwerk eines Hauses geschleudert. Der Offizier war sofort tot.
Während nach der Säuberung der Stadt Löwen das I. und III. Btl. zur Sicherung nach Westen und Nordwesten eingesetzt
werden, erhielt das 1. Btl. vom Divisions-Kommandeur, General
Weyer, den Befehl zur Bildung einer Vorausabteilung
mit dem Auftrag, die Brücken nordwestlich
von Brüssel in die Hand zu nehmen.
Hierzu wurden dem Bataillon folgende Teile unterstellt:
Gesamte 14./I. R. 11 unter Führung von Hauptmann Eimmerich,
1 Zug 13./I. R. 11,
1 Kompanie Panzerjäger unter Führung
von Oberleutnant Brandt,
2 Batterien II/46 unter Führung von Major Falbe,
1 Funkstelle (mot) der Division,
1 Horchaufklärungszug Nachr. Abt. 14 und 4 Lkw der Brückenkolonne.
Die zusammengestellten Teile der V.A. sammelten sich auf
der Straße Hamme-Mille-Löwen mit Anfang am
Bahnübergang Heverle. Generaloberst v. Reichenau
wünschte dem Btl.-Kdr. Mj. Weiß Glück
u. Gelingen des Auftrages.
Nach einer Befehlsausgabe setzte sich die V.A. in folgender Gliederung in Marsch;
Voraus ein Kradspähtrupp
unter Führung von Leutnant Kaddatz, mit 2-4 km Abstand eine Radfahrspitze
unter Führung von Leutnant Plapper, dann ein Pak-Zug der Rest
der verst. 3. Kompanie und Masse 14.
Kompanie. Ein Zug der 13./11 wurde auf Lkw verladen, in 1-2km Abstand folgten die Radfahrer der 1.
Kompanie und die restlichen vorher
aufgeführten Teile. Der Btl: Kdr.
setzte sich an die Spitze. Der
Vormarschweg war Löwen-Berthem-Vossen-Wesembeek-St.
Etiene-Schaerbeek. Einige Wegesperren
hielten den Vormarsch auf. Sie konnten
jedoch auf schnell gefundenen Umgehungswegen umgangen wer-den. Der vorausgefahrene Führer der V.A. besetzte mit einem MG des
Kradspähtrupps den völlig unversehrten Sender Schaerbeek-Brüssel, der durch das schnelle Zugreifen vor seiner Zerstörung durch die Engländer
bewahrt werden konnte.
Als der durch
Pannen aufgehaltene Kradspähtrupp an der Wegegabel Woluwe St. Etiene-Brüssel einbog stiessen 1 engl. Panzerspähwagen und 1 engl.
PanzerAbwehrGeschütz in den Rücken. Der
Gefreiter Fietkau der
2. Kompanie brachte sofort sein MG in Stellung und setzte
einige Engländer außer Gefecht. Als 2
englische Panzer eingriffen, brachte Hauptmann Emmerich selbst am Geschütz seiner Kompanie, den
einen zur Strecke. Der andere Panzer bog in
eine Seitengasse und nach einem weiteren Treffer konnte festgestellt werden daß die Besatzung
geflohen war. Bei den folgenden Häuserkämpfen wurden hartnäckige Gegner verwundet bzw. gefangen genommen.
Noch während der Kämpfe erschien plötzlich der spanische
Botschafter und erklärte, den Divisions-General sprechen zu wollen, der die vor Brüssel stehenden
Truppen befehligte. Major Weiß erklärte ihm,
daß Verhandlungen mit ihm zu führen seien. Um eine unnötige Zerstörung
der Stadt Brüssel zu vermeiden, wurde ein
Treff vereinbart, um mit
dem Oberbürgermeister der Stadt Brüssel
zu verhandeln. Als sich herausstellte, daß
der Weg nach Brüssel feindfrei war, ließ
Hauptmann Emmerich
seine Kompanie mit erhöhter Geschwindigkeit vorziehen. Major Weiß
mit den Offizieren seines Stabes. Leutnant Overhoff und
Engelhardt und Oberleutnant Freiherr von Hoyningen gen. Huene und dem
Kommandeur der Art. Abt. 11/46 fahren
im Wagen -von Chef 14. Kp., begleitet vorn Kompanietrupp dieser Kompanie und nur einer Pak, auf die belgische Hauptstadt
zu. Unterwegs werden zwei Polizisten auf den Trittbrettern des Pkw zur Einweisung mitgenommen. Im scharfen Tempo ging es durch die abwechselnd breiten und
dann wieder eng verwinkelten Straßen.
Auf einmal tat sich vor uns der prachtvolle
stilreine Renaissance-Marktplatz von
Brüssel auf, an dessen Längstseite das schöne Rathaus stand. Sofort wurden die Zugänge
zu diesem einzig schönen Platz von
den Kradfahrern und der
,Pak abgesperrt. Major Weiß und seine
paar Offiziere gingen durch lange hohe Gänge und Flure über dicke Teppiche und an riesigen Gemälden belgischer
Könige vorbei und standen dann im Zimmer
des Oberbürgermeisters dieser schönen Stadt,
der über diesen plötzlichen Besuch erstaunt war. Mit Hilfe des spanischen
Botschafters kam es dann zu einer Verständigung. Die Forderungen und
Bedingungen von Major Weiß eine uneingeschränkte Übergabe der
Stadt, sowie die Entwaffnung der
Polizei, konnten jedoch nicht
erreicht werden. Allerdings garantierte der Oberbürgermeister nur den Ortsteil der Stadt bis zum Kanal zu, weil sich darin nach seiner Versicherung keine belgischen Truppen
mehr befanden. Für die Stadt
westlich des Kanals konnte er sich nicht verbürgen und
lehnte die Verantwortung für alle Engländer
grundsätzlich ab. Er
sollte damit Recht behalten. Eines der größten Erlebnisse des
Frankreichfeldzuges für das I.R. 11 war damit vorüber.
9. Fortsetzung der Geschichte des
11. (Sächsischen) Infanterie-Regiments
Belgiënfeldzuges
Bericht über die Einnahme von Brüssel
von Frhr. v. Hoyingen-Huene +
Oberleutnant und Kp.-Chef 4./I. R. 11
„In unaufhaltsamen Vormarsch ist
unser Infanterie-Bataillon seit jenem 10. Mai durch Holland und Belgien
vorwärts gestürmt. Zahlreiche Kanäle und Wasserläufe hatte es zu überwinden
gehabt. Oft mußten die Fahrzeuge tagelang dahinter zurückbleiben, das schwere
Gerät dann getragen oder behelfsmäßig auf requirierte Fahrräder oder die
typisch belgischen, zweirädrigen Bauernwagen gepackt werden. Harte Kämpfe gegen
Belgier und Engländer liegen hinter uns. Aber kein Feind, kein Feuer, keine
gesprengten Straßen und Brücken, keine Sperren und Hindernisse hatten uns
aufhalten können. Fast dauernd in vorderster Linie und ohne Unterstützung von
Panzern und Motorisierten, war das Bataillon dem Gegner an der Klinge
geblieben, trotz aller Schwierigkeiten und gewaltigen Anstrengungen immer
wieder vorwärts gerissen durch seinen Kommandeur, Major Weiß.
Der Feind durfte nicht zur Ruhe
kommen. So werden wir am 11. Mai mittags, nachdem die stark ausgebaute und
hartnäckig verteidigte Dyle-Stellung um Löwen eben durchstoßen ist, aus
vorübergehender Reserve wieder nach vorn gezogen und der Kom-mandeur erhält den
schönen Auftrag: „Vorausabteilung auf Brüssel ". Es geht um die belgische
Hauptstadt, alle Gesichter strahlen und viele fühlen heute wird etwas
Einmaliges geboten! Aber noch sind wir nicht da, und wer weiß, was im
Zwischengelände - etwa 25 km - auf uns wartet!
Rasch wird die Vorausabteilung
zusammengestellt und auf der großen Staatsstraße Namur - Löwen gegliedert. Alle
irgendwie greifbaren Fahrzeuge müssen verwendet werden, die unterstellten
motorisierten Waffen werden herangezogen und auch teilweise zur Verladung der
Infanterie ausgenutzt. Während wir noch dabei sind, dies zu regeln, kommt - begleitet
von einem Panzerspähwagen - ein mächtiger Pkw angerauscht und hält. Neben dem
Fahrer sitzt General-oberst v. Reichenau,
der Oberbefehlshaber unserer Armee. Der Kommandeur meldet, der General läßt sich
kurz orientieren und wünscht uns dann viel Glück zu unserem Unternehmen. Wir
sollten es haben!
Bald darauf tritt die V, A. An.
Voraus eine motorisierte Spitze auf erbeuteten belg, Krädern, dann eine Sicherung
auf Fahrrädern und beigegebener Pak und dahinter mit Abstand der ganze Schwarm
der auf einmal zum Radfahr-Bataillon gewordenen Infanteristen mit den dazwischen
geschobenen Motorisierten. Unsere Pferde und Fahrzeuge blieben wieder einmal
auf ungewisses Wiedersehen zurück. Ich habe mich mit in den Wagen des Kdr.
geklemmt.
Wir brausen nach vorn an die
Spitze. Durch Löwen hindurch, an gesprengten Sperren erst vor wenigen Stunden
genommener engl. Stellungen und dann an entwickelt vorgehender deutscher
Infanterie vorbei, geht es auf der großen Straße nach Westen.
Straßensprengungen und StukaTrichter zwingen uns zu kurzem Halt. Aber sie
werden umfahren oder unser reichlich asthmatischer, requierierter Wagen quält
sich doch unter tiefen Seufzer darüber hinweg. Stumpf und gleichgültig sitzen
einige gefangene Tommys im Straßengraben. Wie war das doch mit der Wäsche an
der Siegfried-Linie?
Dann zwingt uns eine tiefe
Sprengung doch auf einen Nebenweg. In jagender Fahrt geht es durch niedrigen Buschwald
weiter. Dem Fahrer wird es etwas ungemüt-lich, er denkt wohl an Minen. „Gas,
Mensch, man kann nur einmal in die Luft fliegen" meint der Kdr. Dieser Trost
hilft. Auf Zickzackwegen, wie es uns vorgeschrieben war, nähern wir uns der
Staatsstraße Löwen - Brussel . Wir sind weit vor der Vorausabteilung, nur die
Kradspitze muß noch vor uns sein- Auf einmal halten wir vor einem nagelneuen
Sendehaus mit seinen hohen Funktürmen. Breite Terrassen führen hinauf nach dem
kleinen Hügel, auf dem alles liegt. Alles ver-schlossen, die anliegende
Ortschaft ist unheimlich still und ausgestorben. Die Belgier erwarten wohl im
Keller bebbernd ihre Massakrierung durch uns Barbaren! -
Wir schlagen eine Tür des
Sendehauses ein, stellen fest, daß man anscheinend mit der Vernichtung der Sendeanlagen
nicht fertig geworden ist, Wir waren wohl etwas zu schnell!
Dann sehen wir auf der großen
Straße am Horizont Kraftfahrzeuge aus Richtung Löwen nach Brüssel rollen. Rasch
weiter Gas! Als wir an das Straßenkreuz in Woluwe kommen, hat sich dort
folgendes ereignet: Gerade als die Kradspitze dort auf die große Straße nach
Brüssel einbiegen wollte, kamen von hinten, aus Richtung Löwen , einige
gepanzerte englische Zugmaschinen mit angehängtem Geschütz und Panzer
angefahren. Sofort war der Gefr. Fietkau
(2. Kp.) mit seinem 1. MG an der Hausecke in Stellung gegangen und hatte auf
nächste Entfernung seine Garbe in die erste Zugmaschine peitschen lassen. Der
Erfolg war vernichtend. Kaum 15 m von der Ecke steht das klobige engl.
Kraftfahrzeug auf der Straße, tot oder schwerverwundet sind alle Tommys darin
mit wächsernen Gesichtern und verkrallten Händen übereinandergefallen, Blut und
Öl verfließen miteinander im Wageninnern.
Die andere Zugmaschine und der
Panzer waren darauf von der Straße her-unter in die kleinen Gärten der
Bauernhäuser ausgerissen. Aber da ist auch schon eine Pak zur Stelle und unter
donnerndem Krachen fahren die Granaten in den feindlichen Stahl. Der Chef der
14. Kp., Hpt. Emmerich, kniet selbst an der Pak und schießt. -
Da kommt plötzlich eine unheimlich
vornehme, lange Limousine aus Richtung Brüssel angerauscht mit kleiner
gelb-rot-gelber Flagge. Ein langer, dunkler Zivilist entsteigt ihr und stellt
sich uns als der spanische Botschafter in Brüssel vor. Donnerwetter, die Sache
wird interessant! Er soll im Auftrag des Ober-bürgermeisters die Übergabe der
Stadt vermitteln und wünscht den deutschen General zu sprechen. Da dieser zur
Zeit wirklich nicht zu erreichen ist, muß er einstweilen mit uns vorlieb
nehmen. Der Kdr, vereinbart mit ihm noch der Karte einen Punkt, an dem zu einer
bestimmten Zeit die Stadt durch den Oberbürgermei-ster übergeben werden soll.
Kaum ist der schnittige Wogen mit dem Herrn Boschafter wieder davon gebraust,
fällt uns ein: Wir hoben vergessen, daß man sich in Belgien wohl kaum nach
mitteleuropäischer, geschweige denn deutscher Sommerzeit richtet. Also kommt
der Oberbürgermeister erst zwei Stunden später, und das ist zu spät, denn es
dunkelt bereits. Panne! Aber der Kdr. ist rasch entschlossen: Wir holen uns
einfach die Übergabe.
Die inzwischen herangekommene
Vorausabteilung tritt erneut an, Richtung Brüssel. Wir paar Offiziere aber
besteigen wieder unsere Wagen und mit weni-gen Kradfahrern und Fahrzeugen der
Pak-Kp. geht es auf der breiten, schönen Straße und in scharfem Tempo auf die
belg. Hauptstadt zu, Unwillkürlich denkt man an Bindings: „Wir fordern Reims
zur Übergabe auf!" Am Stadtrand wird noch einmal kurz gehalten und das
Häuflein gesammelt. Viel sind es ja gerade nicht und unsere verfügbaren Waffen
für einen eventuellen Straßenkampf ungenügend und unzureichend. Aber nur der
Mutige hat Glück und bei uns herrscht Hochstimmung!
Wir fahren wieder an, neugierig und
abweisend mustern uns die wenigen Zivilisten, die sich auf den Straßen zeigen.
Zwei weißbehelmte Polizisten lassen wir auf die Trittbretter unseres Wagens
treten, sie müssen uns den Weg zum Rathaus zeigen. Im scharfen Tempo geht es
durch die abwechselnd breiten und dann wieder eng verwinkelten Straßen. Und auf
einmal tut sich vor uns der prachtvolle, stilreine Renaissance-Marktplatz von Brüssel
auf, an seiner einen Längsseite das schöne Rathaus. Davor einige schmucke
Limousinen, auch die des spanischen Botschafters ist dabei. Sofort werden die
Zugänge zu diesem einzigartig schönen Platz von unseren Krad-fahrern
abgesperrt. Dahinter staut sich allerhand neugieriges Volk.
Und dann hallen unsere Schritte - wieder
geführt von Weißbehelmten - durch die langen hohen Gänge und Flure des
wunderschönen Rathauses. Eine Tür tut sich auf und wir paar Offiziere stehen in
dem prachtvollen Beratungszimmer des Rathauses der belgischen Haupt-stadt.
Dicke Teppiche schwellen unter unseren ver-staubten Stiefeln, riesige Gemälde
der belgischen Könige schauen aus schweren goldenen Rahmen auf uns herab, alles
ist gediegen und reich. Man geniert sich direkt ein wenig, denn in dieser
Umgebung merkt man plötzlich, daß man reichlich unrasiert ist, die Hände
bedeutend sauberer sein könnten, kurz, daß man ein rechtes Frontschwein im
Salon ist.
Um den großen Beratungstisch stehen
und sitzen des Oberbürgermeister und die anderen Bürgermeister der Stadt, der
spanische Botschafter und dessen Begleiter, etwa 6-7 Herren mit recht besorgten
Gesichtern und zunächst tüchtig erstaunt, daß wir schon da sind. Die
Verständigung ist etwas schwierig, aber mit Hilfe des Botschafters gelingt es
dann. Zunächst versucht der Oberbürgermeister uns hinzuhalten und betont auf
unsere Bedingungen - uneingeschränkte Übergabe und Garantie der Stadt, sowie
Entwaffnung der Polizei - immer wieder, daß er darüber mit denn General in
Unterhandlung treten wolle. Dann aber wird der Kommandeur energisch und noch
kurzer Zeit haben wir die Übergabe der Stadt Brüssel schwarz auf weiß in der
Tasche, datiert vom 17. 5. 1940, 19.45 Uhr.
Allerdings garantierte uns der Oberbürgermeister
nur den Ostteil der Stadt bis zum Kanal, weil sich darin noch seiner
Versicherung keine belg. Truppen mehr befänden. Für die Stadt westlich des
Kanals konnte er sich nicht verbürgen und lehnte die Verantwortung für alle
Engländer grundsätzlich ab. Er sollte damit recht behalten.
Die Garantie der Oststadt genügte
aber für unsere Aufgabe und so verließen wir dann noch förmlicher Verabschiedung
wieder diese historische Stätte, Drau-ßen auf dem Marktplatz treten wir noch
einmal mit der Front zum Rathaus an und während wir grüßen, wird langsam am
Turm eine Hakenkreuzflagge hochgezogen. Eines der größten Erlebnisse dieses
Feldzuges ist für uns vorüber. Es war gelungen durch das rasche und kühne
Zufassen unseres Kommandeurs,
Beim Vorfahren an den Kanal, der
die Stadt in zwei Hälften teilt, erhielten wir dann vom Westufer plötzlich
starkes engt M-, Granatwerfer- und sogar Art.-Feuer, das die ganze Nacht
hindurch andauerte und uns leider einige Verluste kostete. Und dann während um
uns in den ausgestorbenen dunklen Straßen die Granaten detonieren, hören wir am
Radio um Mitter-nacht die Sondermeldung, daß Brüssel unseren Truppen kampflos
übergeben worden ist!"
Soweit der Bericht des später
gefallenen Oberleutnant von Hoyningengen-Huene.
Die Übergabeverhandlung des Herrn
Oberbürgermeisters von Brüssel hatte folgenden Text
Ville Bruxelles,
le 17 mai 1940
de
BRUXELLES
(Wappen)
Cabinet Du Bourgmestre
(Siegel)
DECLARATION
Ce 17 mai 1940 ä 7 heures 45. j'ai
requ en man Cabinet ä l'Hötel de Ville de
Bruxelles, un groupe d'officiers allemands
commandes par le Major Weiss: celuici
m'a demandé de lui remettre la Ville situee a t'est des canaux qui traversent la Ville et de repondre de la tranquillite de la Population et du desarmement de la police.
Je declare accepter et demande
d'etre mis en rapport le plus tt possible avec le
General Commandant les troupes davant Bruxelles. Je declare, en outre, ne donner aucune garantie en ce qui concerne les abords immediats du canal,
gez. Unterschrift
Bourgmestre de Bruxelles
übersetzt:
Erklärung
Heute, am 17. Mai 1940, 7. 45 Uhr,
habe ich in mei-nem Amtszimmer im Rathaus zu Brüssel
eine Gruppe deutscher Offiziere unter
Führung von Major Weiss empfangen: dieser
hat mich aufgefordert, ihm die Stadt, soweit sie ostwärts der sie
durchfließenden Kanäle liegt, zu übergeben und für Ruhe unter der Bevölkerung
und für die Entwaffnung der Polizei zu sorgen.
Ich erkläre. daß ich diese Forderung annehme und verlange, daß ich mit dem
Kommandierenden General der vor Brüssel
stehenden Truppen in Verbindung gebracht werde. Außerdem erkläre ich, keinerlei Garantie hinsichtlich der Gegend unmittelbar am Kanal zu geben.
Bürgermeister von Brüssel
Die der Division durch Funk gemeldete
Übergabe der belg. Hauptstadt führte zu der in der Nacht durch den Rundfunk
gegebenen Sondermeldung: Brüssel wurde unseren Truppen kampflos übergeben!
Dies entsprach jedoch in keiner Weise
der wirklichen Sachlage, da die durch das rasche Vordringen stark ermüdeten und
ausgepumpten Truppen wiederholt aus einzelnen Häusern Feuer erhielten und auch
später in verlustreiche Kämpfe mit englischen Nachhuten verwickelt wurden. Der
Bürgermeister sicherte in der Ubergabeverhandlung auch nur die kampflose Haltung
der Bevölkerung im Stadtteil ostwärts des Kanals zu, wollte jedoch nicht die
Garantie für die Bevölkerung des Westteils der Stadt und noch etwa
zurückgebliebener Engländer diesseits des Kanals übernehmen. Durch die schnell
erzwungene Obergabe der Stadt und dem scharfen Nachdrängen hinter den
Engländern, gelang es dem 1, Bataillon die gesamte Elektrizitäts- und
Wasserversorgung der Stadt vor der Zerstörung zu schützen.
Während der Übergabeverhandlung
erreichte die Vorhut den Brüsseler Seekanal und traf hierbei die Englänger
mitten bei ihren Sprengarbeiten an den Kanalbrücken an. Die Spähtrupps der 1.
Kompanie gerieten in starkes MG- und Gewehrfeuer aus englischen Nestern
diesseits und jenseits des Kanals. Dem Oberleutnant
Schröder, Chef der 3. Kompanie (war im Polen-feldzug mit Oblt. Bärwald Zugführer in der 14.
Kornpanie), gelang es, als erster vor der Kp., die englischen Sprengtrupps mit
seiner MP von der Eisenbahnüberführung zu vertreiben und die an der Kanalbrücke
eingesetzten Engländer mit wenigen Männern seiner Kp. im Nahkampf am
Scharfmachen der Minen und Entzünden der am ersten Pfeiler der Brücke
angebrachten Sprengladung zu verhindern. Durch sein energisches Zugreifen
gelang es der V. A., die für den späteren Vormarsch der Div. alle noch brauchbaren
Brücken in die Hand zu nehmen. Die in den späten Abendstunden entstandenen
Kämpfe am Kanal waren für beide Seiten recht verlustreich. Im starken MG-Feuer
der Engländer blieb an einer Brückenauffahrt der Leutnant Kaddatz von der 3.
Kp, liegen, Auch die gerade in Stellung gehende Pak des Uffz. v. Kaurecke mußte
unter dem starken feindlichen Feuer stehen gelassen werden. Die Mannschaft
suchte Deckung hinter den Häusern. Trotz des starken feindlichen Feuers fuhr
der einzige Gefreite der Res, der 14. Kompanie mit seinem Beiwagen-Krad auf die
Kreuzung, zerrte den schwer verwundeten leutnant Kaddatz in den Beiwagen und
brachte diesen Offizier und sich in Sicherheit. Diese mutige Tat wurde noch in
der glei - chen Nacht durch das EK II belohnt, wie der Gefreiter Fietkau von
der 2. Kompanie das EK 1 erhielt. Mit Ein-bruch der Dunkelheit konnte auch die
Pak in Deckung gezogen werden.
Nachdem nicht zeitgerecht die 1. Kp,
vom Pi.-Btl. 14 unter Hauptmann Endres
herangezogen werden konnte, wurde Hauptmann
Emmerich, der Chef der 14. Pz - Abw.-Kp., mit der Instandsetzung der Brücke
und der Beseitigung der Minensperre beauftragt. Während in den Morgenstunden
des 18, Mai die 3. Kompanie einen weiteren Brückenkopf über den Kanal
vorschiebt und das Schloß Laeken, Sitz des belg. Königs, besetzt, schleppten
die Soldaten der 14. Kompanie aus einem nahegelegenen Holz-Lagerplatz Balken
und Bretter heran und nach wenigen Stunden ist die Brücke so instandbesetzt,
daß sie für Pkw und Kräder befahrbarist. Die deutsche Wochenschau bringt
Aufnahmen von dieser Tätigkeit.
Für den 18, Mai 1940 befiehlt das
Gen, Kda. XI, A. K. das Infanterie-Regiment 11 zur Einzugsparade in Brüssel.
Die Kompanien lassen ihre Trosse in der Unterkünften vor Brüssel zurück und
werden für der, dreistündigen Marsch - ohne 1. Bataillon und ohne 14. Kompanie
- zusammengestellt. Die 5. Kompanie marschiert als Ehrenkompanie vor dem
Stadtschloß auf zur feierlichen Hissung der deutschen Kriegsflagge au dem
Schloß. Nach langer Zeit sieht man wieder einer zackigen Griff und die Stimmung
der Truppe ist besonders gut. Der Vorbeimarsch des Regiments erfolgt vo dem
Kommandierenden General, General von Kortzfleisch. Das Regiment verbleibt an
diesem Tag in Brüssel, während I. Bataillon und 14. Kompanie mir einem
Sonderauftrag abgestellt bleiben.
Noch behelfsmäßiger Instandsetzung
der Brücke zieh. Hauptmann Emmerich
seine Kompanie in den westlichen Stadtteil vor. Ein von ihm angesetzter
Spähtrupp unter Führung des Leutnants von der Decken meldet starke abziehende
feindliche Panzerkräfte. In einer Haustür an der Staatsstraße nach Ninove
stehend, zählt der Spáhtruppführer 30 englische Panzer, die an ihm
vorüberrollten. Diese und weitere Meldungen werden von Major Weiß an die Div. Weiter geleitet. Der V. A. werden in den
frühen Morgenstunden des 18. Mai noch eine 2-cm-Flak-Kp. vom Regiment „Hermann
Göring", unter Führung von Oberleutnant
Bergmann, und die 2. Pz.-Jg.-Kp. 14 unterstellt. Der Kommandeur der V. A,
entschließt sich, diese beiden vollmotorisierten Pz.-Abwehr-Kp. unter Führung
von Hauptmann Emmerich zu stellen, um nach Grand Bigard vorzustoßen, um den
Panzerschutz zu über-nehmen. Die übrigen Teile der V. A, werden aus ihren
Stellungen herausgezogen, überschreiten auf der in-standgesetzten Brücke den
Kanal und sammeln jenseits des Kanals,
Gegen 10 Uhr trifft Hauptmann Emmerich auf englische
Panzer, die gejagt und in Richtung auf ZerIick vertrieben werden. Eine halbe
Stunde später stößt er mit seiner Kompanie auf feindliche mot. Kräfte und fünf
engl. Panzerkampfwagen bei Grand Bigard. Die zwei anderen Pz: Abw.-Kpn. lagen
am Westausgang von Brüssel in Stellung. Trotz seiner Unterlegenheit greift Hauptmann Emmerich diese Feindkräfte
sofort an und vernichtet 4 Panzerkampfwagen.
Ein engl. Offizier und weitere
Engländer, darunter Verwundete, werden gefangen genommen. Bei ihnen werden eine
Planpause mit den eingezeichneten Rückzugsstraßen der Engländer, sowie wichtige
Befehle und Geheimpapiere gefunden, die an die Div, mit einer diesbezüglichen
Meldung weitergereicht werden. Gegen Mittag trifft der Div.-Kdr. an der
Brückenstelle ein und erteilt der V. A. den Auftrag, sobald Teile der V. A.
jenseits des Kanals zusammengezogen sind, weiter nach Westen vorzustoßen und
die Brücke über den Dendre-Kanal nördlich Ninove zu nehmen. Die V. A. 53 unter
Führung von Hauptmann Kückens wird
dem Kdr, 1. Btl. I. R. 11 unterstellt und auf die Brücke in Ninove angesetzt.
Dazu wird die vorher genannte 2-cm-Flak-Kp. unter Oberleutnant Bergmann
unterstellt.
Nachdem in den ersten Mittagsstunden
die letzten Teile der V. A. die Kanalbrücke überschritten haben, wird der
Weitermarsch nach Westen fortgesetzt, Major
Weiß begibt sich voraus nach Grand Bigard zur dort eingesetzten 14. Kp.
Etwa 10 feindliche Panzer feuern aus Gegend Eleghem, während eine starke engl.
Radfahrabteilung aus Bodeghem St. Mortin die bis Woolfsem vorgedrungenen
Spähtrupps unter starkes Feuer nimmt. D
er Kdr. 1. Btl, entschließt sich, mit
der Pz.-Jg.-Kp. 14 und dem 1. G.-Zug das flankierende Feuer aus Richtung
Eleghem auszuschalten und nach einem kurzen Feuerüberfall durch die
unterstellte Art. mit der Masse der V. A, den Weitermarsch anzutreten. Die V.
A. 53 erhielt den Auftrag, auf der Hauptstraße bis an das große Straßenkreuz
südlich Wambeek vorzudringen und dem Gegner von dort aus in den Rücken und
Flanke zu fallen. Kurze Zeit darauf meldet die V. A. 53: Westrand Difibeek
erreicht, vorausgeschickte Aufklärung mit 5 Panzern zusammengestoßen, nach
Aussage von Landeseinwohnern sammeln ca. 15000 Engländer in Höhe Meerbeke auf
der Straße Brüssel-Ninove. Trotz dieser Alarmmeldung greift das I. I. R. 11
weiter an. Die in Gegend Eleghem gemeldeten Panzer werden von der 14. Kp.
vertrieben, erneut bleiben drei zerschossen liegen. Die auf den Dendre - Kanal
vordringende V. A. wird von einer Parallelstraße, die von den Engländern als
Rückzugsstraße „D" bezeichnet wurde, ständig unter starkes engt. Feuer
genommen, das offensichtlich von einem feindlichen Aufklärungsflieger gelenkt
wird. Besonders nachteilig stellt sich das Fehlen eigener Artillerie heraus.
Die V. A. ist nicht in der Lage, sich
gegen die überlegenen feindlichen Batterien zur Wehr zu setzen, weil die 11.45
unter Major Falbe, die zuerst noch
aus Stellungen ostwärts des Kanals das Vorgehen der V. A, überwachte, nicht
über die Kanalbrücke bei B r ü s s e l gezogen werden konnte, da diese für die
schweren Geschütze noch nicht ausreichend verstärkt war, Nach Erreichung des
Raumes um Pamel gerät die V. A. in immer stärkeres MG- und Art.-Feuer aus
Richtung Okegem her. Auf die Kanalbrücke vorgetriebene Spähtrupps bleiben im
Feuer liegen. Auch die zur Unterstützung ein-gesetzte s. Gr. W.-Gruppe Papst
und der s. MG-Zug Leutnant Nicklas
werden nach erfolgreicher Bekämpfung der fdl. MG-Nester unter schweres fdl.
Art.-Feuer genommen In diesem Kampf verliert die 14. Kp. Mit dem Gefr. Hund den ersten Toten. In der
Nacht auf den 19. Mai trifft bei Major
Weiß folgender Funkspruch der Division ein: „Div. heute aufschließt mit I.
R. 101 (rechts) beiderseits Bodeghem. Masse mit I. R. 11 nordwestlich Grand
Bigard. Aufklärung Richtung Nordwest."
In der gleichen Nacht wurde 14. Kp.
beauftragt, mit dem Rgt. und der Div. Verbindung aufzunehmen. Jeglicher
Verwundeten- und Gefangenen-Rücktransport scheiterten an den von der Div.
aufgestellten Feldwachen. Hauptfeldwebel Müller der 14. Kp. wurde bei einem
solchen Versuch von einem Gefechtsvorposten I. R. 101 angeschossen und am Kopf
schwer verwundet. Erst durch dieses Ereignis gelang es, eine Verbindung zum
Regiment herzustellen und den für die V. A. dringenden Bedarf an Betriebsstoff
heranzuholen. Auch Major Weiß versucht über I. R. 53 mit dem la der Div.,
Oberstleutnant Kühne, Verbindung aufzunehmen, um vornehmlich Floßsackgerät und
Art.-Unterstützung zu erbitten. Schwere fdl. Batterien schießen sich immer mehr
auf die V. A. ein, so daß auch der Gefechtsstand des Btl. verlegt werden mußte.
Von der Div. erhält er der Befehl, nicht anzugreifen, sich gruppenweise vom
Feind zu lösen und im Raum Catthem- Ledeberg zur Ruhe überzugehen, da I. R. 53
und I. R. 101 planmäßig zum Angriff, mit entsprechenden Unterstüt-zungswaffen
verstärkt, von der Div, angesetzt würden. Die Vorausabteilung unter Major Weiß
verlor bei diesem Kampf um Brüssel, 5 Tote und 19 Verwundete. Unter den
Verwundeten befanden sich die Leutnante
Kaddatz und Vagt. Für die
vorbildliche Tapferkeit während der Gefechte, die die verstärkte V. A. zu
leisten hatte, wurden viele Auszeichnungen verliehen und Beförderungen
ausgesprochen. Das erste EK 1 des Regiments ging an die 14. Kompanie und hier
an den Chef dieser Kompanie, Hauptmann
Emmerich. Die Spange zum EK 1 erhielt Major
Weiß, Gefr. Fietkau, 2. Kp. ebenfalls das EK 1. Das EK 11 erhielten: 1.
Kp.: Lt. Vagt, Lt. Kubitz, die Uffz. Kluge, Pruegel, Sonntag, Obgefr.
Dietrich, die Gehr. Garms, Gajewiak, Schmidt, 3. Kp.: Oblt. Schröder, Uffz. Schantz, 4. Kp.: Gefr. Meissner, Riesch.
Am Nachmittag des 19. Mai werden das
1. Bataillon und die 14. Kompanie dem Regiment und die anderen Teile der 14.
Division wieder unterstellt. Leutnant
Gerngroß wird zum Adjutant II. Btl. ernannt. Während das I, Btl. zur Ruhe
übergegangen ist, befiehlt das Regiment den Weitermarsch auf der Hauptstraße
nach Ninove . Auch für den 20. Mai bleibt I. R. 11 Div.-Reserve hinter den vorn
eingesetzten Regimentern I. R. 53 und 101. Der Gegner ist weit nach Westen
ausgewichen. Infolge von Marschstockungen geht es nicht zügig voran. Alles muß
die Kriegsbrücke bei Ninove passieren. Auch für den 21. Mai befiehlt das
Regiment den Weitermarsch in Richtung Renaix. Als Manahme zur Verkürzung der
Marschschlangen und hierdurch ein schnellerer übergang über Brücken usw.
befiehlt das Regiment, daß die Bataillone und Kompanien einen Teil ihrer
Kraftfahrzeuge, Bespannfahrzeuge und Fahrräder abzugeben hatten. Seit Brüssel
marschierten die Kompanien nicht mehr, die letzten „Fußgänger" hatten sich
auch Fahrräder besorgt. Alles Knurren und Schimpfen half nichts. Jede Kp. darf
nur für einen Zug die Fahrräder behalten. Auch was an zusätzlichen Kfz.
behalten werden darf, wird genau befohlen.
Am 22. Mai treffen die ersten Kriegsauszeichnungen
des Frankreichfeldzuges ein. Hauptmann
Sperling, Rgt.-Adjutant, ist einer der ersten, der das EK 1 erhalt, Die
Bataillons-Kommandeure nehmen die Verleihungen der ersten Kriegsauszeichnungen
in besonders feierlicher Form. Dies wirkt sich auf die Stimmung der Truppe
besonders günstig und anspornend aus, obwohl die viel zu geringe Anzahl der
Kriegsauszeichnungen es nicht zuließ, jeden einzelnen auszuzeichnen, der eine
Auszeichnung verdient hätte. U. a, erhielten die Leutnante Overhoff, Engelhardt, Jäckel, Fw. Beyreuther, Uftz. Hennig,
Otte und viele a. m. das EK II.
Für den 23. Mai befiehlt das Regiment
den übergang über die Schelde , da das I. R. 53 den übergang noch nicht
erzwingen konnte. Für diesen Angriff werden II, und III. Btl. bereitgestellt.
Schwere Art. Geht hinter dem Rgt. in Stellung. Als mit Angriffsbeginn die
ersten Granaten fielen, glaubte das III. Btl., Flieger-bomben fielen auf den
Raum des Btl. Dabei war es eine Mörser-Batterie, die auf Lille feuerte. Alle 10
Minuten erfolgte ein Schuß! Um 3.30 Uhr morgens tritt das Regiment in der
befohlenen Gliederung zum Angriff an. An der Spitze des III Btl. Befindet sich
der Kommandeur, Oberstleutnant Oertel.
Nordwestlich von d'Enclus überschreitet das Btl, im dichten Nebel - 9. Kp. In
Reserve in 0rroir - die Schelde. Schwere und anstrengende Märsche lagen diesem
Angriff zuvor; besonders die MG-Kp. hat durch die viele Munition einen großen
Schweißverlust. Südostwärts der Eisenbahnbrücke wird eine Ubersetzstelle
erkundet, Dichter Bodennebel erleichtert die Aufgabe und der Kdr. entschließt
sich, ohne Art.-Unterstützung im Schutze des Nebels überzusetzen. Der Tommy hat
die Uferstellung bereits geräumt und nur in Avelghem eine schwache Sicherung
zurückgelassen. Wie die vorgetriebenen Aufklärungen feststellen, hat sich der
Engländer anscheinend gleich bis an die Lys zurückgezogen. Die vielen kleinen
Ortschaften, die im weiteren Vorgehen durchschritten werden, sind feindfrei und
auch von der Bevölkerung verlassen. An der Erschöpfungsgrenze stehend, gehen
die Einheiten zur Ruhe über. Nur der Btl.-Kdr., Oberstleutnant Oertel, läßt sich die Anstrengungen des Tages nicht
anmerken. Seine Zigarre schmeckt ihm und seine Ruhe überträgt sich bei der
Befehlsausgabe für den nächsten Tag auf alle anwesenden Kp.-Chefs.
Zur Verfügung des Rgt. wird das
I./i.R. 11 nach Orroir mit der Spitze in Ruyen vorgezogen und dort dem Kdr. des
Pi.-Btl. 14, Major Hoeland
(Nachfolger von OTL Thieme-Garmann, die Red.), unterstellt. Das Btl. wird zur
Beseitigung von Sprengtrichtern und zur Wiederinstandsetzung von Wegen an der
Brücken-stelle eingesetzt. Nach Beendigung der Bauarbeiten trat das 1. Btl.
wieder unter die Führung des Rgt. zurück.
Die Personalbesetzung in diesem
Zeitabschnitt beim Pi. Btl. 14 folgende:
Kommandeur Major Hoeland
Adjutant Oberleutnant Kowitz
Btl. Arzt Stabsarzt Dr. Klein
Zahlmeister Oberzahlmeister Berndt
1. Kompanie Hauptmann Endres
2. Kompanie Hauptmann d. R. Kruse
3. Kompanie Hauptmann d. R. Serno
Brückenkot (mot) B Leutnant d. R. Masch
Le. Pi. Kol. Oberleutnant d. R. Töpfer
Stabspers. Leutnant d. R. Bermann
Die Gefechtslage für den 24. Mai war:
Der Feind, Belgier und Engländer,
haben eine Nachhutstellung an der Lys errichtet. Mit starkem Widerstand mußte
gerechnet werden.
Die 14. Divison stellte sich für den
24. Mai mit dem I. R. 11 und I. R. 53 zum Angriff bereit. Zum Angriff des Rgt.
über die Lys südostwärts Harlebeeke setzte das Rgt. das II. und III. Btl. ein.
Beim III. Btl. wurde die 10. Kompanie, Oberleutnant
Bärwald, verstärkt durch den s. MG-Zug, Fw. Körner, 12. Kp. und einen
Pak-Zug 14. Kp., Leutnant Gliemann,
zur Sturmkompanie befohlen. I. Btl. liegt hinter dem II. Btl. und soll nach dem
Übergang über die L y s zum Angriff vorgezogen werden. Der Angriff ist auf den
Nachmittag befohlen. Starkes feindl. Art.- und GranatFeuer liegt auf dem
Abschnitt des Rgt. Für die eigene Art. ist Vernichtungsfeuer auf die Stellungen
nördl. der L y s für die Zeit von 15.30 bis 15.45 Uhr befohlen. Unter starken
eigenen Verlusten überschreiten II. und III. Btl. die L y s und erreichen ihre
Angriffsziele. Harlebeeke war ein Sieg der 10. Kompanie! Mit fünf toten (Gefr. Walz, Auerswald, Schneider,
Neumeister und Kurz) und zwölf verwundeten Kameraden (darunter Leutnant Gröschel) ist er blutig erkämpft
worden. Aber auch das 11. Btl. unter Major
d. R. Leschke hatte große Opfer bringen müssen. Der Chef der 5. Kompanie, Oberleutnant Schröter, und Fahnenjunker Pinckert sind gefallen.
Das Regiment befiehlt für den 25. Mai
die Fortsetzung des Angriffs. Das durch einen I. G.- und Pak-Zug verst.I. Btl,
wird ostwärts der großen Straße Courtrai-Stokerij an den Sicherungen des I I.
Btl. vorbeigezogen. Bei diesem Angriff zeichnete sich der Chef der 2. Kompanie,
Oberleutnant Altstädt, besonders aus. Auch der Oberfeldwebel Schumann der
gleichen Kompanie zeigte besondere Tapferkeit. Bei dem sich, noch im Nahkampf
zäh verteidigenden Gegner fallet der Kp. 250-300 Gefangene, darunter zahlreiche
Offiziere, und eine große Anzahl schwerer Waffen in die Hand. Auch von anderen
Einheiten wird der gesamte Stab des belg. Rgt. gefangen genommen. Der Angriff
dieses Btl. wird durch eine Batterie der I,/A. R. 14 unter Oberleutnant von
Schmitterlöw unterstützt. Unter den eingebrachten Gefangenen befindet sich ein
engt Art.-Major, der als Art.-Beobachter von der Kirchse Salines heruntergeholt
wurde. Als von vorgetriebenen Spähtrupps angreifende Panzerwagen gemeldet
werden, wird der unterstellte Pak-Zug noch vorn ge-worfen. Die Verbindungen an
das rechts vorgehende I. R. 101 und an die links angreifende, etwas
zurück-hängende, 30. I. D. werden wieder hergestellt. Beim Vordrängen auf
Dodizeelchoek werden zahl reiche Lastkraftwagen und Kräder festgestellt. Da die
Paks diese Ziele nicht erreichen können, entschließ sich der Kdr., einen Voraustrupp
zu bilden und ihr über Commerestraet auf Kezelberg vorzuwerfen, um die
beherrschende Höhe zu nehmen und dabei den anscheinend nach Norden
ausweichenden Gegner anzugreifen und abzuschneiden.
Oberleutnant von Huene, Leutnant Overhoff und Leutnant Quandt
setzen sich an die Spitze des aus einem Pakzug und vorwiegend Schützen der 3.
Kp., sowie der s. MG-Gruppe Thassler zu Rad gebildeten Voraustrupps, beseitigen
schnell den Widerstand an der Bahnlinie bei Commerestraet und brechen in den am
Kezelberg eingenisteten Gegner - Belgier und Engländer - ein. Von 2 mit
Belgiern voll besetzten Lastkraft-wagen, die in rasender Fahrt auf der großen
Straße von Süden kommen, erhält der eine auf nächste Entfernung einen
Paktreffer. Den anderen zwingt Oblt.
Huene mit der Pistole vorspringend zum Halten und zur Übergabe. Als Leutnant Overhoff und Fw. Beyreuther mit wenigen Männern zwei
fdl. Inf.-Geschütze und ihre Bedienung gefangen nehmen wollen, werden sie durch
fdl. Feuer in Deckung gezwungen. Nur mit Mühe gelingt es, in Gegenstößen das
Ziel zu erreichen. Zwei von drei sich nähernden Panzern werden durch zwei
Pakgeschütze in Brand geschossen. Nachdem es unserem Regiment durch das 1. Btl.
gelungen ist, die Höhen um KezeIberg zu gewinnen, werden diese Teile vom linken
Nachbar, dem I. R. 51, angegriffen. Auch die diesem Rgt. unterstellte Art.
schießt auf unsere vordersten Stellungen und es war schwer, hier Klar-heit zu
schaffen,
Am 26. Mai hat das Regiment die
Nordflanke der 30. Div. gegen aus Norden angreifende Gegner zu sichern, während
die 30. Div, in den Morgenstunden des 26. Mai weiter nach Westen angreifen
soll. Hierzu soll noch in der Nacht das II./11 rechts neben dem I./11
aufschließen. Der Widerstand des Feindes hat nachgelassen, jedoch werden aus
zahlreichen Stellungen jede Bewegungen um K e z e l b e r g unter Feuer
genommen. Der s, MG-Zug, Leutnant Nicklas, und zwei Pakgeschütze werden so in
Stellung gebracht, um be-sonders lästige Widerstandsnester niederzukämpfen. Das
Regiment befiehlt das weitere Vorgehen auf Passchendale. Aufklärung ergab
folgendes Bild: Am ganzen Südostrand von Passchendale und weiter verlängert an
der Straße noch Nieuwe - molen dehnt sich eine stark befestigte Feldstellung
aus, an der viele hundert Belgier, anscheinend völlig ahnungslos, schanzen.
Zwischen ihnen sind zahlreiche Panzer zu erkennen. Auch an der Eisenbahnlinie
südlich Passchendale ist Bewegung. Hier haben die Belgier mehrere Güterzüge
zusammengeschoben und dadurch eine Sperre errichtet. Wie sich später
herausstellte, haben sie sich mit ihren Granatwerfern auf diese Bahnlinie
eingeschossen, um so dort jede Bewegung verhindern zu können.
Die eigene Art. eröffnet das Feuer.
Die ersten Lagen liegen außerordentlich gut und haben eine geradezu verheerende
Wirkung. Der Gegner ist völlig überrascht, Zahlreiche Leute fliehen über den
Höhenrücken zurück. Auch mehrere Panzer bringen sich in Sicherheit. Während das
III./11 noch im Kampfe bei Ledeghem steht, hat sich das I./11 weit vorgeschoben
und ist auf sich allein angewiesen. Nach Gefangenenaussagen liegen dem Rgt. das
43. und 31, belg. Rgt. und links eine Kavallerie-Div, gegenüber.
Nach kurzer Art.-Vorbereitung wird
Dadizeel angegriffen und ohne nennenswerten Widerstand genommen. Der
Rgt.-Gefechtsstand wird im dortigen Schloß errichtet. Der 27, Mai bringt den
Angriff auf Passchendale. I, und II. Btl. sollen den Angriff ausführen, III.
Btl. bleibt zur Reserve des Rgt. Jedes angreifende Btl. wird durch einen I. G:
und Pak-Zug verstärkt. Obwohl das Rgt, keine Verbindung nach rechts und links hat,
befiehlt das Korps die Fortsetzung des Angriffs auf Passchendale. Dieser Befehl
wird aber mehrfach geändert. Das III./11 wird nach Waterdamhoek und Moorslede
vorgezogen. Von hier aus hat man einen ausgezeichneten Einblick in das Gelände
von Passchendale.
Das Gelände gleicht einer kahlen
Platte, weite, leere Flächen, nur hier und da ver-einzelt ein Baum, Straßen mit
hohen Pappelreihen, rechts und links Kirchtürme.
In den Morgenstunden hat das I. I.R.
11. unter Major d. R. Leschke rechts
an das I./11 aufgeschlossen und man kann genau den Angriff des II./11 auf die
Bahnlinie und die Höhen von Passchendale beobachten. Erfolgreich trägt dieses
Bataillon den Angriff vorwärts. Im Laufe des Angriffs müssen die den
angreifenden Bataillonen unterstellten Art.-Abteilungen mehrfach gewechselt
werden. Menschen- und Munitionsverlust sind besonders beim II. Btl, recht groß.
Der Rgt.-Kommandeur, Oberst Oeller, befiehlt. daher dem Il. Btl., Munition
vorzubringen, Dies ist nur durch Tragen der Munition möglich, wobei die Träger
oftmals in schweres fdl. Feuer geraten. Trotz schweren Abwehrfeuers treten am
Nachmittag erneut beide Bataillone zum Angriff an. Es beginnt ein Kampf, wie er
in Friedenszeiten gelernt wurde. Nest um Nest des Gegners muß niedergehalten
und dann in die aus-gebaute Stellung eingebrochen werden. Die Zähigkeit des
Feindwiderstandes zwingt zu Einzel- und Nahkämpfen. Als eine Lücke zwischen dem
I. und II. Btl. entsteht, sind beide Btl. gezwungen, ihre Reserven einzusetzen.
Drei feindliche Jagdflieger greifen im Tiefangriff in den Erdkampf ein.
Feindliche Art. und Panzer remmen das weitere Vordringen der Kompanien und es
sieht so aus, daß die Bataillone aus den gewonnenen Stellungen zurückgeworfen
werden. Das Rgt. wird um sofortiges Vorschieben starker Pak-Sicherungen
gebeten. Besonders versuchen fdl. Panzer in der linken Flanke einen
Gegenanrgriff. Die Flanken der vorn eingesetzten Btl. sind nach wie vor offen,
weil die Regt. 53 und 101 bisher nicht aufschließen konnten. Oberst Oeller befiehlt Chef 14. Kompanie,
mit weiteren zwei Zügen das II./11 gegen Panzerangriff zu schützen und sicherte
zu, daß die Division bereits die Zusammenziehung aller Pz.-Abw.-Kpn. befohlen
habe. Die beiden 14./53 und 101 sollten der 14./11 nachge-führt und unterstellt
werden, was aber nicht mehr zur Ausführung kam. Gleichzeitig forderte das Rgt.
stärkere Art.-Unterstützung durch das Korps an.
Erst als der Rgt.-Adjutant, Hauptmann Sperling, die bedrohliche
Lage der eingesetzten Btl. und immer noch das Fehlen der Anschlüsse rechts und
links schilderte -Rückfragen ergaben dann ein tatsächliches Abhängen von 10 bis
km -, setzte das Korps eine schwere (mot) Abteilung ein. Da die Belgier von
ihren beherrschen-den Höhen das Gelände vollständig einsehen konnten, war die
Heranführung der beiden Pakzüge nur im Mannschaftszug und im Abschnitt des 1.
Btl, möglich, Mit ein paar beherzten Männern gelang es Fw. Kosche von der 14
Kp., einige Güterwagen ein wenig auseinanderzuschieben, so daß gerade die Pakt
durchgeschleust werden konnten. In den Abendstunden erreichten die Züge die
vorn eingesetzten Btl., es kam zu keinem Panzerbeschuß mehr. In den
Nachtstunden haben beide Bataillone ihre Angriffsziele, in vorderer Linie die
Straße Ostneuwkerke- St. JuIien erreicht und sich dort zur Verteidigung eingerichtet.
Die 10./11. wird zur Verstärkung des II. Btl. noch vorgetrieben.
Für den 28. Mai wird die
Weiterführung des Angriffs nach Norden auf Houthouister Wald befohlen. In der
Nacht trifft die Meldung der bedingungslosen Kapitulation der belgischen Armee
ein. Ab 5 Uhr wird Waffenruhe befohlen. I./11 erhält den Befehl, einen
Parlamentär-Offizier mit Hornisten und weißer Flagge zu entsenden und die
Truppen zur Niederlegung der Waffen aufzufordern. AI§ Platz für die
Niederlegung der Waffen wird der Marktplatz in Passchendale, als
Parlamentär-Offz., Oberleutnant Schröder,
bestimmt. Im Falle, daß die Waffen bis 7 Uhr nicht niedergelegt werden - es ist
unklar, ob die vom König der Belgier erfolgte Kapitulation von der belgischen
Truppe befolgt wird - sollen die Feindseligkeiten wieder aufgenommen werden.
Nach Durchfahren der belgischen
Postenkette, ohne von den völlig verblüfften Soldaten angehalten zu werden,
trifft Oblt. Schröder auf einige
belgische Offiziere, die ihm nach kurzer Erklärung und Abnahme der Waffen und
Verbinden der Augen zu ihrem Rgt.-Kdr. bringen. Dem Rgt.-Kdr, ist von der
Übergabe nichts bekannt. Er läßt den Parlamentär weiter zum Div.-General De Henin geleiten. Als Oblt. Schröder diesem als Parlamentär
vorgestellt wird, ist dieser sichtlich verärgert, daß kein deutscher General,
sondern nur ein „Oberleutnant" erschienen ist. Nach anfänglicher Abrede
gibt der General zu, um 4 Uhr den Befehl zur Übergabe erhalten zu haben. Darauf
ergibt sich der General mit 4 ihm unterstellten Regimentern: Inf. Rgt. 31, Inf.
Rgt. 43, 1 Art. Rgt. und 1 Kav. (Panzer) Rgt. Der Platz zur Ablage der Waffen
wird ihm mitgeteilt, auf sein Bitten ihm zugesichert, daß die Offiziere ihr
persönliches Gepäck, ihre Pistolen behalten und im Wagen fahren dürfen, Bei der
Rückfahrt verbittet sich der deutsche Offizier ein Verbinden der Augen. Bei dem
belg. Rgt.-Kdr. zurückgekehrt, bricht dieser erschüttert in Tränen aus, als er
den Befehl zur bedingungslosen Übergabe erhält. Ein Einhalten der Frist von 7
Uhr ist jedoch nicht möglich, da große Teile der belg. Div. so weit abliegen,
daß sie unmöglich zeit-gerecht ihre Waffen auf dem Marktplatz in Passchendale
abliefern können, obgleich die Waffen schon von den belg. Kp. gesammelt und auf
Lastkraftwagen verfrachtet angefahren werden. Aus diesem Grunde wird ein
begründetes überschreiten der ge-stellten Frist gestattet, Eine unübersehbare
Menge Kriegsmaterial sammelt sich auf dem Markt an.
Mittags trifft Vormarschbefehl auf
Langemarck, also wieder Marschrichtung Westen, ein.
Bericht
Als Parlamentär bei der belgischen Truppe
von Oberleutnant Schröder
„Der Kampf um Passchendale am 27. 5.
1940 war wieder einmal mit Erfolg und verhältnismäßig wenig Verlusten glücklich
vorbei. Am Nordwestrand von P. ging das Btl. in den späten Abendstunden zur kurzen
wohlverdienten Ruhe über. Nachdem ich mit meiner Kompanie noch die Sicherung
der offenen westlichen Flanke übernommen hatte, konnte auch Ich gegen 12 Uhr
nachts auf dem inzwischen vom Kp.-Trupp zu-recht gemachten Lager zur Ruhe
gehen.
Am 28. 5. 1940 früh etwa gegen 3 Uhr
wurde ich durch einen Melder des Btl. geweckt, der die Mitteilung brachte, daß
der belg. König kapituliert habe. Mit wenig freundlichen Worten wird der Melder
weggejagt und auf die andere Seite gedreht, um weiter-zuschlafen. Aber nicht
lange. Bald kommt der Melder wieder mit dem Befehl, sofort zum Btl.-Gef.-Stand
zu kommen. Also wieder einmal mitten in der Nacht her-aus. Durch den Kommandeur
erfahre ich, daß ich zu den gegenüberliegenden belg. Truppen als Parlamen-tär
fahren und diese noch Weisung im Rgt.-Befehl zur Übergabe bis 7 Uhr früh
auffordern soll, Ein Kraftwagen der 14. Kp. wird bereits mit zwei weißen
Flaggen geschmückt. Uffz. Sonntag vom Btl.-Stab als Dolmetscher und ein Hornist
werden mir noch zugeteilt Um 5 Uhr früh ist alles fertig und ich fahre von
guten Wünschen begleitet ab ins Ungewisse. Wo eigentlich die vordersten belg.
Stellungen sich befinden, war uns unbekannt. Während der Fahrt wird sorgfältig
nach rechts und links ausgeschaut, um nicht die belg. Linier zu überfahren.
Trotzdem sind wir doch nach einer kurzen Fahrt über die ersten belg. Posten
weggefahren die wahrscheinlich ebenso erstaunt waren wie wir. Als wir uns einem
Haus an der Straße nähern, sehen wir plötzlich, wie mehrere Gestalten in
Feldstellung springen und noch ihren Waffen greifen. Ich lasse den Wogen sofort
anhalten und rufe diesen zu, den verantwortlichen Offizier zu holen. Nach
kurzer Zeit kommt der diese Posten befehlende Offizier. Da dieser sehr gut
deutsch sprach, ging die Verständigung sehr rasch vor sich. Ich verständige ihn
davon, daß der belg. König kapituliert und ich ihn aufzufordern habe, die
Waffen bis spätestens 7 Uhr niederzulegen, sonst würde von unserer Seite aus
weitergekämpft. Er war über meine Eröffnung sehr erstaunt und sagte mir, daß
ihm bisher noch nichts bekannt sei und er ohne Befehl seiner vorgesetzten
Dienststelle nichts unternehmen kann. Ich bat ihn, sofort mit dieser sich zu
verständigen. Er bat mich mitzukommen. Ich legte meine Waffen ab und folgte ihm
in Begleitung von Uffz. Sonntag. Nach einer kurzen Unterhaltung am Telefon
verständigte er mich, daß sein Btl. keine Nachrichten oder Befehle habe, aber
sofort beim Rgt. angefragt werde, Nach etwa 20 Minuten kam ein Anruf mit dem
Ergebnis, daß ein Wagen des Rgt- mich abholen würde. Es war inzwischen 6 Uhr
geworden.
Endlich kam der Wagen. Mir und Uffz.
Sonntag wurden die Augen verbunden und dann erst aus dem Haus in den Kraftwagen
geführt. Unser eigener Wagen blieb vorläufig unter Bewachung stehen. Rechts und
links saß je ein belg. Soldat mit Gewehr. Als die Fahrt losging, mußte ich
feststellen, daß außer der Bewachung im Wagen noch mindestens 3-4 Motorräder
vor und hinter dem Wagen fuhren. Die Fahrt ging kreuz und quer durch die
Gegend. Aber auch diese Fahrt mußte ja ein Ende nehmen. Es ist ein recht
scheußliches Gefühl mit verbundenen Augen in einem Wagen zu sitzen und nicht zu
wissen, wo es hingeht und was die nächste Zeit bringen bringen wird.
Beim Regiment angekommen, wurde uns die
weiße Binde erst im Haus abgenommen. Nach kurzer Anmeldung wurden wir in einen
großen Raum geführt, in dem außer dem belg, Oberst noch 4-6 Offiziere anwesend
waren. Ich entledigte mich meines Auftrags in kurzer knapper Form, Der Eindruck
meines Auftrags war sehr verschieden. Ein Teil schien aufzuatmen, daß der Krieg
zu Ende sei, der andere Teil war überrascht und wollte es gar nicht glauben.
Der belg. Oberst teilte mir schließlich mit, daß ihm von einer Kapitulation
nichts bekannt sei und auch seine höhere Dienststelle keine entsprechende
Befehle habe. Ich machte ihn darauf aufmerksam, daß mein Auftrag dahingehend
lautete, daß die Kapitulation bis 7 Uhr erklärt sein müsse und es jetzt bereits
6.30 Uhr nach deutscher Zeit sei. Der belg. Rgt: Kdr, erklärte mir, daß es das
Beste sei, ich fahre direkt zum General. Ich erklärte mich bereit und bat
gleichzeitig mich inzwischen dort anzumelden.
Wieder wurden die Augen verbunden und
im Kraftwagen unter reichlicher Bedeckung ging es wieder kreuz und quer durch
die Gegend, bis wir endlich beim General landeten, Wir wurden dort zunächst von
einem Oberst, anscheinend dem Generalstabsoffizier, empfangen und zum General
geführt. Dort eisige Begrüßung. Auch hier entledigte ich mich meines Auftrags
in kurzer knapper Form. Der Herr General beachtete uns kaum und unterhielt sich
mit dem Oberst. Da ich die Unterhaltung nicht genügend verfolgen konnte, fragte
ich den mich begleitenden Dolmetscher, Uffz. Sonntag, was eigentlich gesprochen
werde. Er sagte mir, daß der General sich beschwerte, daß „nur ein
Oberleutnant" zur Verhandlung gekommen wäre. Da dies mir ganz erheblich in
die Nase stieg, ließ ich durch Uffz. Sonntag die Unterhaltung abbrechen und
sagen, daß ich gar nicht die Absicht gehabt hatte, bis zum General zu kommen.
Aber da die ihm unter-stellten Truppen keinen entsprechenden Befehl erhal-ten
hatten, wäre mir nichts anderes übrig geblieben. Nun ging es auf einmal. Der
Oberst legte sich ins Mit-tel. Da die Zeit bis 7 Uhr nicht mehr einzuhalten
bzw. schon längst überschritten war, vereinbarte ich, daß die Übergabe auf dem
Marktplatz zu Passchendale bis spätestens 11 Uhr erfolgt sein müßte. Auf die
Bitte, daß die Offiziere das eigene Gepäck und die Wagen behalten dürften,
erklärte ich, daß ich dies bis nach Passchendale, verantworten wollte. Dort
müßte dann die Entscheidung meiner Division abgewartet werden. Nun ging alles
mit entsprechendem Tempo. Ein Kapitän aus dem Stab wurde beauftragt, mit mir
sofort mitzufahren und die unterstellten Truppen sofort mündlich zu verständigen.
Also wieder in den Kraftwagen. Das
Verbinden der Augen verbat ich mir jetzt und ich konnte offen durch die belg.
Linien fahren. Ich muß sagen, was ich da an Truppen und aufgestapelter Munition
sah, gab mir die Uberzeugung, daß durch die Kapitulation doch viel Blut gespart
worden ist.
Der Kapitän fragte mich, ob ich zu
allen Truppen mit-fahren wollte. Ich bat davon abzusehen und mich nur zu dem
Regiment zurückzufahren bei dem ich zuerst war.
Als wir dort ankamen, wurden wir mit
großer Span-nung erwartet. Es war wenig angenehm, mitzuerleben, wie der belg.
Oberst, nachdem er den mündlichen Befehl zur Ubergabe erhalten hatte, es gar
nicht fassen konnte. Tränen standen ihm in den Augen und er mußte sich
abwenden. Ich glaube, an seiner Stelle wäre es mir ebenso ergangen. Es muß doch
wenig angenehm für einen Soldaten sein, ohne Kampf die Waffen zu strecken.
Nachdem auch hier mein Auftrag
erfüllt war und ich die Versicherung des belg. Oberst hatte, daß sofort seine
ihm unterstellten Einheiten telefonisch verstän-digt werden, verabschiedete ich
mich recht schnell und ließ mich nach der Ausgangsstelle zurückfahren.
Unterwegs konnte man schon feststellen, daß der Befehl durchgedrungen war; denn
überall begannen be-reits auf den Straßen die Truppen sich zu sammeln und die
Waffen wurden zum Verladen gestapelt.
ich hatte jetzt, nachdem mein Auftrag
erfüllt war, nur das Bestreben, so schnell als möglich zum Btl,
zurück-zukommen, da einmal die Zeit fast über zwei Stunden überschritten war
und den Erfolg dem Kommandeur melden. Etwa gegen 9 Uhr trafen wir beim
Btl.-Stab wieder ein und konnten mit frohem Herzen die Erledigung des Auftrags
melden."
10. Fortsetzung der Geschichte des
11. (Sächsischen) Infanterie-Regiments
Frankreichfeldzug
Wahrend der ganzen Nacht schießt
unsere Artillerie schweres Feuer auf die feindliche Linie. Das Regiment ist im
Angriff über den Ypern-Kanal südwestlich St. Julien . Der 29. Mai ist ein
echter „Flanderntag", neblig, Nässe liegt in der Luft. Auf den durch
Weidenreihen und Droht abgegrenzten Weiden brüllt das nicht versorgte Vieh,
Milzbrand und Feuerwirkung der Artillerie und Flieger hat viel Vieh verenden
lassen, so daß ziemlicher Gestank in der Luft liegt. Mit teils sumpfigen Wiesen
ist es ein flaches, völlig offenes und einzusehendes Gelände, Die
Bereitstellung und das Heranschaffen von Floßsäcken erfolgt wahrend der
Dunkelheit.
In den Morgenstunden greifen mehrere
englische Flieger im Tieffliegerangriff die vorn eingesetzten Batailone im
Bereitstellungsraum an. Die SMG-Züge werden zur Abwehr eingesetzt. Der Angriff
der tief gegliederten Division mit den vorn eingesetzten I./I. R. 53 und
IIl./i. R. 11 wird von 16 Batterien Artillerie, und außerdem der
Korps-Artillerie, unterstützt. Alle Beobachter sind bei den vorn eingesetzten
Kompanien! Kurz vor Angriffsbeginn kommen erst die Schlauchboote, die unter der
Führung des Pionier-Hauptmann Endrußzeit eingesetzt werden. Zwei Minuten vor
Angriffsbeginn zeigt der „große Bruder" seinen mächtigen Arm. Das haben
die Soldaten noch nicht erlebt! Leider besteht zu den Abteilungen der
Korps-Artillerie keine Verbindung. Der verabredete Feuerschlag hat nicht die
Wirkung und Kurzschüsse gehen auf unser III. Btl. nieder. Alles sucht Deckung!
Eine SMG-Bedienung wird durch einen Volltreffer voll-kommen vernichtet, Mehrere
Schlauchboote sind unbrauchbar. Erst nachdem das Feuer wandert, können gegen
10.30 Uhr die ersten der 10. Kp. mit Booten den Ypern-Kanal überqueren.
Während das III. Btl. mit allen vorn
eingesetzten Kom-panien durch hohe Kornfelder auf Elverdinghe vorgeht, wird es
immer wieder durch Art.-Streufeuer gestört. Das 1. Bt. - ohne 3. Kp., die zur
Bewachung von Gefangenen und Beute in Passchendaele befohlen wurde - wird zum
Arbeitsdienst an der Brückenstelle Boesinghe vorgezogen. Gegen Abend werden die
Angriffsziele erreicht. In der Nacht soll das III. Btl. durch Teile des I.R. 53
abgelöst wer-den, Der Befehl kommt aber nicht zur Durchführung. Infolge großer
Verluste treten besonders beim IIi. Btl. Änderungen in der Führung ein. Der
Kp.-Chef der 11. Kp. wird vom Btl.-Adjutant übernommen. Leutnant Kerber wird
Btl.-Adjutant und Leutnant Negendank wird Ordz.-Offz.
Am 30. Mai wird der Vormarsch des
Regiments über die Kriegsbrücke bei Boesinghe fortgesetzt. Immer wieder treffen
ausgesandte Spähtrupps auf englische Widerstandsnester und erhalten MG- und
Gewehr feuer. Teile des III, Btl. sollen eine Verbindung zwischen dem I. R. 53
und I.R. 474 herstellen und eine entstandene Lücke sichern. Die Verbindung mit
dem linken Flügel von I.R. 53 wird durch die 10. Kp. hergestellt. Die Gruppe
des I.R.53 liegt auf ihrem ein-gewiesenen Platz - aber tot! Sie haben ihre
Stellung gehalten, getreu bis in den Tod! In der Nacht wird der Rgt.-Abschnitt
immer wieder von Fliegerangriffen bedroht- Auf Unterkunftsbereiche werden Bomben
ge-worfen, jedoch ohne größeren Schaden anzurichten.
Als Divisionsreserve setzt das
Regiment am 31. Mai den Vormarsch fort. Tagsüber greifen englische Flie-ger
erneut die Vormarschstraße an. Bei EIfen – damme geht es über die Yser. Der Ort
bietet denselben Anblick wie bei allen Flußübergängen: Zum größten Teil ist
alles zerstört. überall an der Vormarschstraße stehen unheimliche Mengen an
Kriegsmaterial des Engländers. Soldaten finden widerliche Hetzschriften gegen
Deutschland und seine. Führung. Da die deutsche Luftwaffe in andere Räume
abgezogen ist, halten die feindlichen Luftangriffe den ganzen Tag an. Bei einem
Angriff auf die Straßenkreuzung bei L i n d e werden ganz fürchterlich die
Zivilflüchtlinge getroffen, die sich hier infolge unseres Vormarsches in
riesigen Scharen zusammengeballt haben. Die Zahl an Toten und Verwundeten unter
dieser Zivilbevölkerung, besonders an Frauen, Kindern und älteren Menschen, ist
ungeheuer. In den Abendstunden wird vom Rgt.-Kommandeur, Oberst geller, die
Lage bekannt gegeben. Das II./l.R. 11 soll Teile des I.R. 53 ablösen. I und II.
Btl. rücken in die neuen Bereitstellungsräume, I, Btl. hinter II. Btl. Am 1. 6.
1940 sollen I. R. 53 und I. R. 11 mit je einem Btl. in vorderer Linie die sich
am Kanal de la Bosse Colme verteidigenden Engländer und Franzosen angreifen.
Andere Divisionen sind im konzentrischen Angriff in weitem Bogen auf Dünkirchen
angesetzt.
Am 1. Juni erfolgt der Angriff über
den Kanal bei Hondschoote. Hier wird die Belgisch-Französische Grenze
überschritten, Felder, Wiesen und ganze Straßenzüge sind überschwemmt. Auf dem
Vormarsch von Hondschoote bis nach Dünkirchen sind unzählige Kanäle zu
überqueren. Der Feind hat die Schleusen an der Küste geöffnet und damit das
ganze Land überschwemmt. Immer wieder greifen englische Bomber den Raum des
Regiments an. Durch das über-schwemmte Gelände wirkt sich das einzelne
feindliche Art.-Feuer unangenehm aus. Es liegt vornehmlich auf Ortschaften und
Dämmen.
Während des Vormittags des 2. Juni
brausen ununter-brochen deutsche Bomberverbände über uns hinweg in Richtung
Feind, um die Reste des eingeschlossenen britischen Expeditionskorps und die
Einschiffungen bei Dünkirchen mit Bomben zu belegen. Das I./I.R. 11 wird
vorgezogen, um neben dem II. Btl., eingesetzt zu werden. Bei der Erkundung wird
festgestellt, daß das Wasser ständig steigt und der Einsatz des I. Btl. neben
dem II. Btl, nicht möglich ist. Bei einer Lageklärung er-hält das I. Btl. vom
Rgt, den Auftrag, eine Sicherung nach Osten und Südosten einzusetzen, da die rechte
Nachbar-Division infolge der starken Uberschwemmung zum Weiterangriff nicht
angetreten und weit zurückgeblieben ist. Hierzu wird Leutnant Funk mit seinem
Zug zur Feldwachaufstellung in Gegend südöstlich Krommenhaek bestimmt, Das 1.
Btl. zog dann aus seinem Unterkunftsbereich in den befohlenen
Bereitstellungsraum und trat hinter dem II. Btl. zum Angriff an. Gegen Mittag
stieß das vorn eingesetzte II. Btl, auf störkeren feindlichen Widerstand. Zu
seiner Überwindung stellt sich das II. Btl. planmäßig bereit, das I. Btl.
bleibt dahinter.
Der la der 14. Inf.-Div., Obersleutnant i. r. Kühne,
verabschiedet sich auf dem Rgt.-Gef.-Stand bei Pont du Cerf. Er ist ins OKW zu
einem Demobilmachungsstab versetzt worden. Sein Nachfolger ist Hauptmann i. G. Rennecke.
Auf Feldern und Wiesen zu beiden
Seiten der Vormarschstraße stehen unübersehbare Kolonnen von Fahrzeugen und
Panzern, unbeschreibliche Berge von Gerät und Waffen, die von den
zurückflutenden englischen und französischen Truppen liegen gelassen werden
mußten, Obwohl schon Zivilflüchtlinge daran plünderten, kamen viele Dinge
unseren Soldaten zugute. Sie verzehrten die ausgezeichneten Konserven, die der
Tommy in großen Mengen mitführte und nahmen gern Gummimäntel, Gummistiefel usw.
Als ganze Kisten mit prima englischen Stiefelsohlen entdeckt wurden, waren
nicht genügend Schuhmacher vorhanden, um sämtliche Stiefel zu besohlen!
Für den 3. juni befiehlt das Rgt. mit
verst. II. Btl, die Fortsetzung des Angriffs gegen den Feind, der am Kanal des
Chats Widerstand leistet. Verst. I. Btl. soll zunächst hinter II. Btl. vorgehen
und dann später hinter dem Kanal vorgezagen werden. Die Nachbardivision, die
bisher weit abhing, soll bei Angriffsbeginn aufschließen und zum weiteren
Angriff mit antreten.
Der Tag selbst beginnt mit einem
wahren Hexenkessel von Beschuß jeder Art. Es sind offenbar die letzten
verzweifelten Gegenschläge der Tommies. Der Rgt.-Stab hat hier die ersten
Gefallenen. Bei Krommenhoek fallen die Soldaten Erich Baage und Walter
Müller, und außerdem ein Melder und ein Fahrer der Nachr.-Abtl.
In einem von allen Seiten geführten
Panzerangriff der Engländer und Franzosen, wobei schwere und schwerste
Kanonenpanter eingreifen, droht unser Angriff liegen zu bleiben. In einem
unerhört kühnen Vordringen greift der Kommandeur des II. Btl., Major d. R. Leschke, mit etwa 80 Mann,
Funkern der Nachrichtenstaffel und einigen SMG-Gruppen an, und es gelingt mit
schnell vorgezogenen Paks vorzustoßen.
Durch einen mündlichen Rgt. Befehl
erhält der Zug Bahmann der 4. Kp. den Auftrag, die rechte Flanke des II, Btl.
in Gegend Kanal-Knie ostwärts HoIie Kouke zu sichern. In der durch die
Überschwemmung außer-ordentlich exponierten Dammstellung erhölt Leutnant
Bahmann mit seinem Zug wiederholt schweres feindliches Feuer, ohne die Möglichkeit
eines Stellungs-wechsels zu haben. Vom Div.-Kdr. erhält der Kdr. des 1. Btl.
Major Weiß, persönlich den Befehl, noch am Abend über den von schwachen Teilen
zweier Kpn. des II. Btl, gebildeten Brückenkopf am Kanal des Chats durch das
feindfrei gemeldete Üxem auf Leffrinckoucke vorzugehen, sich am NW-Ausgang zur
Verteidigung einzurichten und kampfkröftige Spähtrupps bis an den Kanal de
Dunkerque vor-zutreiben. Das Vorgehen des Btl. wird durch eine Battr. I./A. R.
14 überwacht, Die Reichweite der Battr. ist jedoch am N-Ausgang von Uxem
erschöpft.
Beim Vorführen geriet das Btl, in
starkes feindliches Feuer. Auch die vorgeschobenen Teile des II. Btl. werden
davon betraffen. Während der 2. Zug der 3. Kp. unter Führung von Feldwebel Beyreuther bereits in Uxem
eindringen kann, bleibt die Masse des Btl. unter starkem Feuer liegen. Es
gelingt auch hier erst dem Kdr., der inzwischen mit Teilen des Stabes
übergesetzt und zur 3. Kp, vorgegangen ist, durch seinen persönlichen Einsatz
die liegengebliebenen Teile der Kp. vorzu-reißen und in Uxem einzudringen.
Plötzlich auftretende engt. Panzerwagen werden nach einem länge- en Feuerkampf
durch PanzerJäger vertrieben, Die 14. Kompanie unter Hauptmann Emmerich, die vom ersten lag des Frankreichfeldzuges ohne
Pause das Regiment geschützt hat, ist wegen völliger Überschöpfung der
einzelnen Soldaten zwei Tage vor Dünkirchen von Panzer-Jägern der Div, abgelöst
und zur Ruhe befohlen worden. Die Kp. hat an diesen letzten Kämpfen nicht
teilgenommen.
Zur Unterstützung des Angriffs des
Rgt. sollten ab mittags Stuka eingesetzt werden. Diese kommen jedoch zu spät
und werfen ihre Bomben an falscher Stelle ab. Der Fliegerverbindungsoffizier
fehlte.
In der Nacht zum 4. Juni werden vom
l. Btl. starke Gefechtsvorposten bis zum Südeingang von Leffrinckoucke, im
Kampf mit weiteren feindl. MG-Nestern, vorgetrieben. In den Morgenstunden
werden die Sicherungen eingezpgen und das 1. Btl, tritt zum Angriff an. Nach
Brechen geringen fdl. Widerstandes stößt das Btl. zum Kanal durch und trifft
dort mit dem vorgetriebenen Spähtrupp unter Führung von Fw. Beyreuther zusammen. Dieser hatte gegen 8 Uhr den Kanal de
Dunkerque erreicht, noch kurzem Kampf die unzerstörte Brücke südlich Farts de
Dunes in die Hand genommen, den Übergang erzwungen und 18 Gefangene gemocht.
Der Spähtrupp war dann jenseits des Kanals noch Westen abgebogen und zahlreiche
weitere Gefangene machend bis zum Meer vor-gedrungen. Die 3. Kp, dringt über
Malo des Beins weiter nach Westen vor und stellt hierbei unübersehbore Mengen
sich nun kampflos ergebende Franzosen zu endlosen Marschkolonnen zusammen.
Diese werden mit geringer, teilweise ohne Bewochung, nach rückwörts in Marsch
gesetzt. Die Zahl der Gefangenen wurde auf 40 000 geschätzt. Die Beute an
Kriegsgerät, leichten und schweren Geschützen, Flakgeschützen und z. T.
unversehrten Tanks usw. war unübersehbar.
Der 4. Juni war ein großer Tag für
das 1. Bataillon! Es erreicht den Ärmelkanal bei Malo des Beins. II. und III. Btl.
haben den Kanal de Dunkerque überschritten und staßen auf Dünkirchen vor. Es
ist ein beachtlicher Augenblick, als wir auf den Dünen am Kanal stehen!
Gefangene sammeln sich am Strand, Unmengen Kriegsmaterial, . Geschütze, Waffen
alter Art, Pferde- und Kraftfahrzeuge. In das Meer sind Autostege zur
Einschiffung gefahren, mehrere zerstörte Transportschiffe liegen an der Küste.
Die Stuka haben in der Stadt und im Hafengelände ganze Arbeit geleistet!
Gegen Mittag trifft der Befehl ein,
daß die 14. Inf: Div. zur weiteren Verwendung herausgezogen wird. Rückläufige
Bewegungen dürfen erst durchgeführt werden, bis Straßen und Dämme von den
Truppen freigemacht sind, die nach Dünkirchen hinein sollen.
Am 5, Juni sammelt sich das I. R. 11
im Raum Hondschoote und es beginnt der Rückmarsch durch das
Überschwemmungsgebiet. Die 14. Kp. durfte sich in Dünkirchen umsehen und einen
lag noch ausruhen!
Und damit ist der erste Teil des
Frankreichfeldzugs für unser Regiment zu Ende.
Die 14. Infanterie-Division hatte bis
dahin:
Verluste Offiziere:
gefallen: 26
verwundet: 40
Uffz. und Mannschaften
gefallen: 327
verwundet: 1184